Protesttage der niedergelassenen Ärztinnen und Ärzte

Wir sehen schwarz für die Zukunft Ihrer Versorgung.

Liebe Patientinnen und Patienten,

vielleicht haben Sie aus der Presse von diversen Praxisschließungen gehört. Damit wollen wir niedergelassenen Ärztinnen und Ärzte gegen die Situation im Gesundheitswesen protestieren, weil sich seit Jahren ein Problem mit der flächendeckenden ambulanten Versorgung anbahnt.

Sie sind es gewohnt, meist fußläufig zur Hausärztin oder zum Hausarzt zu gehen, die Sie und Ihre Familien lange kennen, sich um kleinere wie größere Probleme kümmern oder auch im Notfall helfen. Dieses System hat sich bewährt und ist der Kern hausärztlicher Versorgung.

Damit dies auch in Zukunft so bleiben kann, muss sich sehr viel ändern. Die Arbeit als niedergelassene Ärztin und Arzt wird durch verschiedene Faktoren immer unattraktiver, so dass der ärztliche Nachwuchs immer seltener eine eigene Niederlassung anstrebt.

Die Probleme sind:

  • die bürokratische Überfrachtung sämtlicher Abläufe mit zum Teil vollkommen unsinnigen Vorgaben: Ärztinnen und Ärzte sitzen nach jeder Sprechstunde mindesten ein bis zwei weitere Stunden über Papierbergen;
  • der schlecht gelaufene Versuch der notwendigen Digitalisierung in den Praxen, den man schon jetzt getrost als Rohrkrepierer bezeichnen kann;
  • die zunehmende Verdichtung der Arbeitsprozesse mit der Versorgung von immer mehr, immer älteren und komplex kranken Menschen;
  • die Schwierigkeit, gut qualifizierte medizinische Fachangestellte zu finden;
  • die wirtschaftliche Unsicherheit mit drohenden Regressen: Ärztinnen und Ärzte müssen Strafe zahlen, wenn sie zu viel Krankengymnastik oder zu viel teure Medikamente verordnen;
  • und natürlich die allgemein unsicheren Zeiten mit Energie- und Klimakrise, Krieg und Inflation – wobei uns dies natürlich alle betrifft.

Dies alles führt dazu, dass junge Ärztinnen und Ärzte den Sprung in die Selbständigkeit zunehmend scheuen und Praxen keine Nachfolger mehr finden. Somit steigt der Arbeitsdruck auf die verbleibenden Arztpraxen.

Dazu kommt die relative Überalterung der hessischen Hausärztinnen und Hausärzte: In den kommenden zehn Jahren wird die Hälfte von uns in den Ruhestand gehen. Dann kann es passieren, dass Sie erheblich weitere Wege zur nächsten hausärztlichen Versorgung zurücklegen müssen – bis zu 50 km gelten noch als zumutbar! Wer alt ist, gehbehindert oder kein Auto hat, ist aufgeschmissen.

Vielleicht gibt es auch nur noch ein sogenanntes „Investoren-MVZ“ (MVZ = Medizinisches Versorgungszentrum“). In MVZ werden Sie jedes Mal an den (angestellten) Arzt verwiesen, der grade Dienst hat, ähnlich wie in einem Krankenhaus. Dann ist das vertrauensvolle Arzt-Patienten-Verhältnis mit derselben Hausärztin oder demselben Hausarzt nicht gegeben.

In den MVZ, die von privaten Investoren getragen werden, spielen finanzielle Aspekte außerdem eine viel größere Rolle. Hier muss Rendite erwirtschaftet werden: Die arme, kranke, gesetzlich versicherte Rentnerin, die dem System hohe Kosten verursacht, gehört ganz bestimmt nicht zur Zielgruppe dieser Unternehmen.

Bereits jetzt behandeln wir seit Jahren im europäischen Vergleich doppelt so viele Patientinnen und Patienten in der gleichen Zeit wie in anderen Ländern. Und: diese Zahlen steigen. Wenn das so weiter geht, werden wir in zehn Jahren nicht einmal mehr die Zeit haben, „Guten Tag“ zu sagen. Es gibt Tage, an denen wir total erschöpft nach Hause gehen und trotzdem das Gefühl haben, vielem nicht so gerecht geworden zu sein, wie wir es uns selbst oder die Patientinnen und Patienten es sich gewünscht hätten.

Wenn die Überlastung anfängt, an die eigene Gesundheit zu gehen, denkt manch eine(r) über eine vorgezogene Rente nach. Damit würden dem System weitere Kapazitäten entzogen.

Den Kollegen und Kolleginnen in den Kliniken geht es auch nicht besser: laut einer aktuellen Umfrage des Marburger Bunds denkt ein Viertel der dort tätigen Ärztinnen und Ärzte über die Beendigung ihrer Tätigkeit im Krankenhaus nach.

Ärztliche Versorgung bedarf einer Aufwertung von Grund auf. Aufgrund des langen Ausbildungsweges muss dies umgehend geschehen, damit die Versorgung der Bevölkerung nicht nur gehalten, sondern verbessert werden kann. Es geht nicht um Gejammer einiger Privilegierter auf hohem Niveau, sondern um die gesundheitliche Daseinsvorsorge aller in diesem Land lebenden Menschen!

Deshalb bitten wir Sie: Wenden Sie sich an Ihre Krankenkasse oder sprechen Sie Ihre(n) Bundestagsabgeordnete(n) an

Wir danken Ihnen für Ihr Verständnis und für Ihre Unterstützung!

Ihr Praxisteam

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